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Nur mit dem Herzen sieht man wirklich gut...

Das neue Buch von Wilfried Stüven habe ich bekommen, um schon einmal kurz vor Veröffentlichung ein wenig reinschmökern zu können. Was soll ich sagen?  

Ein echter Stüven: keine großartigen oder ungewöhnlichen Schauplätze, keine melodramatischen Gefühle, keine kriminaltechnischen Highlights oder brutale Action. Stüvens Roman lebt vom Kleinen und Feinen. Die Gefühle sind zart und fahren trotzdem Achterbahn, der Schauplatz ist Bremen mit einem Abstecher an die Ostseeküste –und Krimi, ja etwas Krimi ist auch dabei, aber eben auch auf Stüven-Art, eingewoben in die Geschichte, nicht aufdringlich, nicht die Hauptsache, keine Toten und trotzdem spannend. 


„Blind Date“ hat er als Untertitel im Buch gewählt. In diesem neuen Roman sind alle Helden mit Blindheit geschlagen. Benno, seine Frau Thora, eine blinde Agnes und ein verbitterter Nachbar. Wie in einem Kaleidoskop fallen die Schicksale ineinander und machen diese Blindheit sichtbar. Es ist, als ob der Autor den berühmten Satz des kleinen Prinzen „Nur mit dem Herzen sieht man wirklich gut…“ in einer modernen Alltagsgeschichte zum Leben erweckt hat. In leisen Tönen, zärtlichen Beschreibungen und tiefschürfenden Gedanken. Seine Helden schreien sich nicht an. Sie reflektieren, graben in ihren Erinnerungen, versuchen zu verstehen und damit Lösungen und Auswege zu suchen; aufrichtig gegen sich selbst und miteinander, betrachten sie, was schief gelaufen ist und ob es besser zu machen wäre. Und das alle auf eine Art und Weise, dass man Seite um Seite verschlingt und nicht abwarten kann, wie es weitergeht. 


Poetische Ansätze, Spiele mit dem Gemüt, mit Farben, Musik, Sprichworten und Anfangsbuchstaben geben dem Buch eine ganz besondere Note.

 
Im wesentlich geht es um Thora und Bennos Beziehung, die am Anfang des Buches das Ehe-Ende erreicht zu haben scheint. Die Trennung scheint eine Notwendigkeit zum Atmen, obgleich beide einander nach wie vor lieben und sich nacheinander verzehren … und beide wünschen sich, dass das gemeinsame Leben trotz aller Widerstände weitergehen kann. Wer von beiden war blind gewesen? Benno, der seine Frau nicht mehr gesehen hat? Thora, die zu lange geschwiegen hat? Der Nachbar, der vom einstigen Freund zum bloßen Mann von Nebenan degradierte. Wer sah wen nicht mehr und wie können wir Achtsamkeit im bewussten Umgang miteinander wieder lernen?  


Der Katalysator für alle ist die blinde Agnes, die Benno auf einer Reise kennenlernt, um Thora zu vergessen. Nach ein paar Tagen mit leicht schalem Beigeschmack fährt er nach Hause zurück  … und sieht, dass jemand seine Abwesenheit für einen Einbruch nutzte … eine willkommene Gelegenheit, mit Thora wieder Kontakt aufzunehmen… 

Edit Engelmann (Autorengruppe Griechisch-Deutsches Lesefestival)